Montag, 9. Dezember 2013

... und erlöse uns vom Advent

von Thomas Körbel

Wenn ich sagen höre: "er ist jetzt erlöst", dann ist oft gemeint, dass ein Mensch nach langem Leiden und schwerer Krankheit gestorben ist, und dass damit seinem Leiden (und vermutlich auch dem der Überlebenden) ein Ende gesetzt wurde. Erlöst sein im Glauben? Was ist das? Wer das liest, muss zumindest noch recht lebendig sein, trotz der Wehwehchen hier, dem Zwicken da. 
Also muss Erlösung was sein, was vorher, vor dem Tod, im Leben, passiert oder sichtbar wird. Also: Jetzt! 
Wenn ich mich umschaue, auf dem Weihnachtsmarkt, in der Stadt, beim Einkaufen, selbst in der Familie, sehe ich nicht, dass Menschen gerade dabei sind, ihren Frieden zu finden und ihre Freude auszustrahlen. Angst geht um und  Sorge um die Zukunft. Auch wenn wir alle ja noch so gerne ach so positiv sind. Das kommt gut für unser Image! 
Aber "Friede auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen?" Nun ja *hüstel* Das ist dann ja nur was für religiöse Spinner. 
Also: Was ist "Erlösung"? Was erwarten wir "vom Kommen des Herrn"? Dass er mit den Wolken des Himmels, mit Trompetenschall und Donner und Gloria kommt? Und dann? Dann, das haben wir ja aus Gottesdienstlesungen und Hollywoodfilmen (der Image-Nation) im Auge, dann werden die Schafe und Böcke getrennt, schwarz und weiß wird offenbar, gut und böse gerichtet. Ja, genau, und wer dann brav war, der kommt auch in den Himmel, wird gerettet, erlöst. Denn, weil, dann geht die Welt unter. Was auch immer das ist, die "Welt". 
Wir kommen alle, alle in den Himmel, singen wir feuchtfröhlich, aber mit schlechtem Gewissen und verordneter Partylaune und überfrachteter Familienharmonie.  Irgendwie, irgendwo, irgendwann, dann und dort, am Ende der Weihnachtsfeier, an Sylvester oder am Ende des Lebens. Und bis dahin? Was helfen uns "gute Taten" und das "Vermeiden bösen Tuns" in der Zwischenzeit? Gut, wir handeln besser, versuchen niemandem zu schaden, und das ist richtig. Wir halten uns an die Gebote, das ist in Ordnung. Aber war es das schon? Ist unser Glaube ein Aktionsplan? Handeln wir aus Angst vor dem "Heulen und Zähneknirschen" unserer alltäglichen oder unserer unendlichen Höllen? 
Wir sind keine besseren Menschen, wenn wir aus Berechnung handeln um unseres Lohnes willen, der dann heißt "in den Himmel dürfen". 
Wir sind dann keine neuen Menschen, wenn wir alles auf das Jenseits vertagen, und uns damit vertrösten, dass alles erst dann besser werden soll, wenn "alles" eigentlich schon zu Ende ist, was uns hier so "unerlöst" macht: Kriege und Not in aller Welt, Streit mit den Nachbarn, unzufriedene Kinder, unsere eigene Unzulänglichkeit.
Wenn wir auf das Kommende warten, sind wir ganz ... menschlich. Dann sehen wir ein: Es wird keinen Himmel auf Erden geben, es wird immer wieder Menschen geben, die in Not geraten, es wird immer wieder Menschen um uns herum geben, die uns in unserer Ruhe stören und alles anders machen als es uns recht ist. 
Der Advent lehrt uns in erster Linie eines: Gott ist nicht hier, Gott ist nicht bei uns, Gott kommt erst noch. Diese alle Jahre wieder kommende Erinnerung an einen nicht bei uns angekommenen Gott, dieser Hinweis über alle Weisheit und Einsicht der Welt hinaus, sagt uns: Mensch, du Kind Gottes, sei nicht nur menschlich, sei auch mal göttlich. Komm doch auch mal bei dir selbst an, während du auf Kommendes wartest: Sei Mensch, werde Gott. Sei Gott, werde Mensch. 
Immerhin: Mit jeder Kerze kommen wir dem Ende des Advents näher. Dann ist er vorbei. 
Also: Lichter anzünden, Erleuchtungen bringen, göttliches Licht in jedem -- ja: jedem! -- von uns auf die Welt gekommen, auch mal erkennen (wollen), unsere Blindheit, unsere geistige Umnachtung überwinden, vielleicht nicht ganz, aber schon jetzt und mit Hoffnung dem entgegenwarten, was uns da schon lange verheißen ist. 
Wir brauchen also vielleicht bloß mal wirklich dran glauben. 
Nicht erst mit dem Sterben, sondern jetzt. 
Dass ein wenig davon schon in diesem Leben passieren wird, nicht erst danach. Dass am Ende alles gut wird. Und das, weil es "in den Herzen" mal wirklich warm geworden ist und wir nicht nur die familiären Wünsche und emotionalen Harmonien ein wenig befriedigt haben. "Wenn der Herr die Leiden seines Volkes heilt, wird das Licht des Mondes so hell sein wie das Licht der Sonne. (Jesaja 30,26)
Das ist doch so schön, dass es ja auch mal wahr sein könnte. 

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